Dec 17, 2006

Das Ungdomshuset in Kopenhagen:
Beispiel für ein politisches Problem

Bildquelle: politiken.dk

Wie wahrscheinlich die Meisten mitbekommen haben, kam es am Abend des 16. bis in die frühen Morgenstunden des 17. zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen linken Gruppen, hier vor allem von Autonomen und der Polizei. Hintergrund war die geplante Räumung (für Januar 2007) des "Ungdomshuset" (deutsch: Jugendhaus), eines bewohnten Jugendtreffpunkts im Stadtteil Nørrebro, dass durch ein Gerichtsurteil der zweithöchsten dänischen Instanz seit einigen Tagen offiziell als "besetzt" gilt. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden die Bewohner des Hauses, vor allem junge Menschen, jahrelang geduldet. Das Haus stand seit Beginn der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts im Besitz der Stadt Kopenhagen, wurde aber vor kurzem an eine Freikirche ("Faderhuset") verkauft, die als neuer Eigentümer nun die Räumung verlangt.

Zu den aktuellen Auseinandersetzungen kam es nun, als eine (unangemeldete) Demonstration von ca. 1000 Personen auf die Polizei traf. Die größtenteils vermummten Personen (auch in Dänemark gilt das Vermummungsverbot) waren nach Aussage der Polizei mit Eisenstangen und Feuerwerkskörpern, sowie Brandbeschleunigern ausgerüstet und setzten diese gegen die Staatsmacht ein. Mehrere Polizeibeamte wurden zum Teil schwer verletzt.

Wie schon seit einigen Wochen befürchtet, waren unter diesen offensichtlich Gewaltbereiten viele aus dem benachbarten Ausland, hier vor Allem aus Schweden, Norwegen und Deutschland. Unter den nun etwa 300 Festgenommenen befinden sich mindestens 20 Deutsche. Nach Angaben der Kopenhagener Polizei wurden Angebote zur Deeskalation nicht angenommen, die Unruhen waren gewollt. Außerdem wurden mehrere Geschäfte geplündert, Banken verwüstet und Autos zerstört. Vertreter von Unterstützungsinitiativen die für den Verbleib des Jugendzentrums eingetreten waren, kündigten daraufhin die Einstellung aller Aktivitäten an.

Der eigentlichen Forderung der Ungdomshus-Befürworter, auf eine politische Lösung des Problems zu setzen, wurde ein Dolchstoß versetzt. Die Befürworter einer Räumung werden sich nach diesen Krawallen bestätigt sehen, allen voran die neuen Eigentümer. Dass dieses Problem ein politisches und kein juristisches ist, steht außer Frage. Die Naivität der kommunalen Politik steht Befürwortern des Ungdomshuset gegenüber, denen von autonomen Gewalt-Touristen aus dem In- und Ausland die Argumentationsgrundlage entzogen wurde. Einer politischen Lösung, wie etwa ein staatlich unterstützter Umzug des Jugenzentrums (wie schon einmal geplant), stehen nach diesen Ereignissen neben kommunalpolitischen auch fast realpolitische Hindernisse im Weg. Einer einvernehmlichen Lösung in Form eines Konsenses kann beinahe schon abgeschworen werden.. Bleibt zurück, dass die sehr liberale dänische Politik, in diesem Falle die der Stadt Kopenhagen, dringend beraten ist jahrelange Statuten nicht einfach so über den Haufen zu werfen, sondern tatsächlicher Konsenspolitik eine Chance zu geben. Liberalismus mag zwar oft funktionieren (Beispiel Christiania), ist jedoch viel zu oft viel zu Einseitig. Diese Einseitigkeit kann ausgenutzt werden, und meines Erachtens IST sie in diesem Fall auf Seiten der Verantwortlichen "Betreiber" des Ungdomshuset ausgenutzt worden. Jahrelang hat man sich auf dem Status Quo ausgeruht, ohne auf die Idee zu kommen wirkliche Initiative zu ergreifen, wie beispielsweise einen Umzug (wie bereits oben beschrieben) anzustreben.

Die naive Blindheit der aktuellen Besitzer, die ein Überschreiben der Immobilie an ein Zusammenschluss Kopenhagener Bürger zur Rettung des Ungdomshuset gänzlich ablehnen, ist erstaunlich. Dieses Problem aber wäre durch rechtzeitiges Handeln seitens der Politik erst gar nicht entstanden.

Bleibt abzuwarten ob das Neue Jahr überlegter beginnt..

Bilder:
http://politiken.dk/fotografier/billedhjul_foto/article214130.ece?service=gallery&start=1

Videos:
16. dec: Nørrebro hærget af massive ødelæggelser (~: Nørrebro Herd von massiven Zerstörungen)
Demonstranter satte Nørrebro i flammer (Demonstranten setzten Nørrebro in Flammen):

http://politiken.dk/poltv/?ExtID=1237

Quellen der Fakten:
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,455038,00.html

http://tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID6205102_TYP6_THE_NAV_REF1_BAB,00.html

http://da.wikipedia.org/wiki/Ungdomshuset (dänisch)

http://de.wikipedia.org/wiki/Ungdomshuset